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17. Dezember
O Weisheit – O Sapientia

Wir dürfen mit den O-Antiphonen in jeden Tag auf Weihnachten hin gehen. Ich lassse die „Sapientia“ an mir vorbeiziehen, denke an den letzten Tag. Da ist mein Schrei nach Weisheit noch in mir – nach jener Reaktion, die weise sein sollte und ich gar nicht wirklich weiss, wie das so aussehen soll. Aus des höchsten Munde würde es vielleicht anders klingen – als aus meinem kleinen schwäbischen „Maul“ – so ist mir wenigstens zumute.
Ich bin wieder unterwegs, von Korca zurück. Da kommt ein Anruf von der Mutter von Mirsad, dem gelähmten jungen Mann mit dem Motorradunfall. Er bekam so furchtbare Schmerzen, dass sie ihn in eine Privatpraxis zum CT brachten. Dort sagte man dem Vater und dem Bruder, dass die operierte Stelle wieder gebrochen ist oder gar nicht richtig operiert wurde. Und die Mutter ist völlig aufgelöst. Sie hat Angst. Vater und Bruder von Mirsad waren so wütend und sind sofort nach Tirana zum damals operierenden Arzt aufgebrochen. Die Mutter sagt in Panik: „Du weisst, was sie tun, wenn das Blut so heiss ist!“

Ja, das weiss ich! Ich frage, ob sie Waffen dabeihaben. Das weiss sie nicht. Sie ist so aufgeregt, dass sie mir auch keine Handynummer schicken kann. Sie ist einfach nur noch die blosse Panik. Ich gebe zu, ich denke kurz an Polizei. Aber das verwerfe ich im gleichen Augenblick. Ich fühle mich nicht so wohl in meiner Haut. Die Mutter am Telefon fragt ständig, was sie machen soll. Ich bringe sie dazu, dass sie durchatmet und zuhört. Dann sage ich ihr sehr eindringlich, dass sie selbst ihre beiden Männer anrufen muss, dass sie ihnen sagen muss, dass sie auf keinen Fall jetzt einen Arzt attackieren dürfen, sonst ist das Unheil über der Familie perfekt. Sie soll ihnen sagen, dass dies eine Anordnung von mir ist.
Sie fragt, ob sie dies so sagen darf und ich sage: „Ja, das musst Du sagen!“ Ich sage ihr noch, dass sie das schaffen kann – sie als Frau muss ihre Männer nun zur Vernunft bringen. Sie verspricht mir das, dann habe ich ein Funkloch. Wir sind weit weg.
Ich kann nur die Weisheit aus des höchsten Munde anflehen, dass die Männer ein wenig im Schatten dieser Weisheit agieren und sich nicht vom heissen Blut leiten lassen. Am späten Abend kam der Anruf, dass die Männer zurückgekehrt sind. Sie haben die „Anordnung“ befolgt, sagt die Mutter, aber der Arzt meinte, er könne da auch nix mehr machen. Erneut brauchen wir nun die Weisheit und Hilfe von oben, von dem, der das All in Händen hält und auch uns kleine Menschen nicht fallen lässt.